Wir schlafen nie wieder, sagt sie. Und sie formuliert es nicht als Frage, sondern als Feststellung, als würde sie sagen, dass heute ein regnerischer Tag sei, während ihr die nassen und zu Strähnen gewordenen Haare ins Gesicht hängen. Regentropfen rinnen die Wange hinab. Unter den Schuhen bildet sich eine kleine Pfütze. Ich stimme ihr zu. Was bleibt mir denn auch anderes übrig. Zustimmung – die höchste Form der Akzeptanz. Es stört mich ja nicht. Wirklich nicht. Es ist nun eben so. Mit meinen Fingern fasse ich in das Batteriefach meines Weckers, entnehme die kleine Energiequelle, öffne das Fenster und werfe sie hinaus.
„Nie wieder“, sage ich.
„Nie wieder“, sagt sie.
Durch das Fenster strömt der Geruch des nahenden Frühlings. Aus der Schublade meines Schreibtisches entnehme ich einen Block und einen Stift. Gutes Papier, naturweiß, ungebleicht, etwas dicker als herkömmliches Druckerpapier. Wir schreiben einen Nachruf an den Schlaf, zwei Seiten, kleine Schrift – große Worte. Jeder von uns leckt eine Hälfte des Kuverts an, dann kleben wir ihn zu. Er ist adressiert an die Lokalzeitung, die sind ja stets auf der Suche nach guten Geschichten. Liest man doch immer wieder. Wir trauern kurz, beschließen jedoch nach wenigen Augenblicken, dass Trauer nun wirklich nicht angebracht sei, denn da gäbe es nichts zu trauern, war der Schlaf doch nur selten gut zu uns. Er raubte uns so viel kostbare Zeit.
„Bist du müde?“, fragt sie.
„Ein bisschen“, sage ich.
Schlaf
Feb. 18.2020