Wir balancieren lange auf dem schmalen Grat zwischen familienhistorischen Zivilisationskrankheiten und echten Gemeinsamkeiten. Suchen nach einer Überschneidung in der Vergangenheit. Wie gerne möchte ich zu ihrem ganz persönlichen Geschichtsschreiber werden. Ich stelle mir vor, wie ihr auf einer Feier eine Frage gestellt wird, und ich darauf mit einer Anekdote aus ihrem Leben antworte. Chronologist des flüchtigen Moments, Historiker in Freizeitkleidung.
Während unseres Gesprächs erfinden wir eine Geschichte, die wir für unser Leben halten. Erkennen noch während der Vibration unserer Kehlköpfe, dass Andere diese Sätze bereits in vorherigen Zeiten schon viel schlauer gesagt haben, als wir es je könnten. Und weil wir wissen, dass eine Pause zwischen unseren Worten töricht wäre, verlieren wir uns in Reden dionysischen Ausmaßes. Entfesselt im Rahmen des Standbilds, gefangen in der Qualia des Gegenwärtigen.
Sie fragt mich, ab welchem Zeitpunkt favorisierte Kleidung zu einer Uniform werde. Ich antworte, ab dem ersten verdienten Orden. Die gelbe Markise vor den Fenstern taucht den Raum in ein wohliges warmes Licht und lässt unsere Hautfarbe viel gesünder erscheinen als sie tatsächlich ist. Einst saßen hier Helden, sagt sie, und deutet auf einen nur spärlich ausgeleuchteten runden Tisch in der Ecke. Sie habe sie kennen gelernt. Gelehrte, Wissenschaftler, Autoren, Dichter, Künstler und Musiker – sie alle seien dort einst gesessen. Was aus ihnen wurde, frage ich. Sie haben bezahlt und seien nach Hause gegangen. Ich verlange die Rechnung.